Karl-Henning Seemann

1953 – 55 Studium der Bildhauerei an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Heinrich Drake, Heinz Worner, Theo Balden und Arno Mohr. 1955 – 59 Studium an der Kunsthochschule Berlin-Charlottenburg bei Alexander Gonda, Bernhard Heiliger, Hans Jaenisch und Rudolf Bednarczik. 1961 – 65 Assistent an der TH Braunschweig. 1972 Berufung an die Fachhochschule Aachen. 1974 – 1997 Professur an der Kunstakademie Stuttgart. Lebt und arbeitet in Löchgau.

Karl-Henning Seemann zählt zu den wichtigsten Vertretern der realistischen Plastik in Deutschland.

Schwätzweiber, 1976 – 77, Bronze, am unteren Tor

Ähnliche mehrteilige Figurengruppen wie die „Schwätzweiber" waren in den siebziger und achtziger Jahren fast zu so etwas wie dem Markenzeichen des Künstlers geworden, der im benachbarten Löchgau lebt und arbeitet. Häufig werden in seinen Arbeiten kleine Szenen alltäglicher Kommunikation thematisiert. In der Skulptur – es handelt sich um den Zweitguss eines für die Stadt Freren geschaffenen Brunnens – stehen zwei Frauen und ein Mann dicht beisammen und unterhalten sich – daran lassen Blicke und Gesten keinen Zweifel – über einen Passanten. Mit bissiger Ironie setzt Karl-Henning Seemann die kleine Begebenheit in Szene. Die üppigen Körperformen der drei Gestalten werden durch ihre exponierten Posen noch betont. Bei aller liebevollen Hingabe an das Erzählerische, die diese Skulptur schnell zu einem Wahrzeichen der Bietigheimer Altstadt gemacht hat, sollte der sorgfältige formale Aufbau der Skulptur nicht übersehen werden: Die drei Figuren in ihrer pointierten Leiblichkeit sind eng aufeinander bezogen.

 

Flößer, 1986 – 88, Bronze, beim Rathaus Bissingen

In Erinnerung an die große Bedeutung, die seit dem Mittelalter die Enzflößerei für Bissingen hatte, schuf Karl-Henning Seemann für den Vorplatz des Bissinger Rathauses seinen Flößerbrunnen. Bei der Übernahme des Auftrages war sich der Künstler der anspruchsvollen städtebaulichen Aufgabe bewusst, die der Skulptur zukam: Sie muss vermitteln zwischen dem dörflich geprägten, kleinteilig gegliederten Bissinger Ortskern und dem blockhaft geschlossenen Baukörper des im Jahr 1968 fertiggestellten Rathauses. Mit der breiten Wasserrinne, die von der Ecke des Rathauses auf die „Flößers"-Skulptur und damit auf die Platzmitte hinführt, nimmt der Künstler auf die Architektur des Treppenhauses im Rathaus Bezug. Dort fließt Wasser in ein mit großen Flusskieseln ausgelegtes Becken. Die Rinne vor dem Gebäude erscheint nun wie der Abfluss dieses Beckens. Mit der Kombination von flachem Wasserlauf, Rampe und der Bronzefigur des „Flößers" wird in der Brunnenanlage eine für diesen Beruf exemplarische Situation sehr realitätsnah umgesetzt. Mit einer mächtigen Stange manövriert ein einzelner Flößer sein kleines Floß durch eine Stromschnelle. Die Umsetzung solcher komplexen Bewegungsabläufe reizt Karl-Henning Seemann stets besonders. So werden hier etwa in der komplizierten Haltung des „Flößers" die gegensätzlichen Kräfte deutlich, die auf diesen einwirken. Die überzeugende plastische Form hat für den Künstler dabei Vorrang vor anatomischer Korrektheit. So findet etwa die fast wie ein Bogen gespannte Lenkstange ihre formale Entsprechung in dem stark überlängten linken Arm des „Flößers".